Hendrik Vögler: Von der ‚Ich bin – Erfahrung‘

„Das Ich ist unsichtbar. Es selbst aber sieht.“

„Was versteht man eigentlich unter wirklichem Bewusstsein? Wir haben ja ein Bewusstsein; aber dieses Bewusstsein ist das Bewusstsein der Objekte. Auch dann, wenn wir uns auf unser Bewusstsein besinnen. Auch dann wird dieses Bewusstsein, auf das wir uns besinnen, Objekt, während das besinnende Bewusstsein gar nicht in die Erfahrung tritt.“

Praktische Übung

Setzen Sie sich – auf den Boden oder einen Stuhl – und kommen Sie zur Ruhe, wenn Sie wollen mit geschlossenen Augen. Spüren Sie, wo sie den Stuhl oder den Boden berühren. Richten Sie ihre Aufmerksamkeit ganz darauf und geben Sie sich dem Eindruck hin.

Dann lassen Sie diese innere Blickrichtung los und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atembewegung. Spüren Sie, wo Ihr Körper durch Ihre Atmung bewegt wird und geben Sie der Atembewegung nach.

Dann lassen Sie diese Blickrichtung los und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf alles was Sie hören, in diesem Raum und auch von außerhalb. Geben Sie sich
diesem Eindruck hin.

Dann lassen Sie diese Blickrichtung los und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf ein Motiv, dass Ihnen aus Ihrer meditativen Praxis vertraut ist, auf ein Bild oder ein Wort. Besinnen Sie sich auf dieses Thema. Kehren Sie wieder dorthin zurück, wenn Ihre Gedanken abschweifen. Aber nicht zu lange.

Dann lassen Sie auch diese Blickrichtung los und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Aufmerksamkeit.

Dann beenden Sie die Übung …

… und lesen Sie weiter.

 Die Aufmerksamkeit auf die Aufmerksamkeit zu richten ist eine „besondere“ Erfahrung. Die in der Übung zunächst an Themen, an Zielen orientierte Aufmerksamkeit blickt „auf sich selber“, versucht es wenigstens, ohne zu wissen, wie das gelingen soll,

stutzt, fragt, rätselt, aber versucht es

blickt auf die Tätigkeit des Aufmerksamkeit-Richtens … jemand tut das – wer?

bemerkt, dass dies „geschieht“

gerät „in Fluss“, erlebt Zeit, „hat Zeit“ und wird ruhiger

erlebt „dasein“

wird „gleichgültig“

weil alles, was geschieht, zulässig ist

weil es „ist“

Der Ursprung des Aufmerksamseins, das „Subjekt“ ist

Ich bin.

Kühler, offener, geduldiger als das objektorientierte Bewusstsein

„herbstlich“

eine Stufe „vorher“.

Die vorangestellten Zitate entstammen Georg Kühlewinds Büchern „Aufbau – Vom Denken zur Wahrnehmung des Lebens“ (S. 129) und „Melodie und Stille“ (S. 142)

Hendrik Vögler war anthroposophischer Arzt am Ita Wegman-Therapeutikum in Dortmund. Er ist im Februar 2015 gestorben. Posthum ist sein Buch „Sinn und Sein meditieren“ erschienen.