Newsletter September 2017

Meditationsfestival „Living Connections“ am Goetheanum. Interviews mit 13 Meditationslehrern. Weitere Videos und Tagungsberichte. Introspektion und Leadership. Neue Bücher – leider erst im nächsten Newsletter. Von Anna-Katharina Dehmelt und Terje Sparby.

Im Juli hat am Goetheanum das lange erwartete Meditationsfestival „Living Connections“ stattgefunden. Aus aller Welt kamen anthroposophische Meditationslehrer und an anthroposophischer Meditation Interessierte zusammen, um drei Tage lang miteinander zu meditieren. Am Goetheanum war es die erste öffentliche Tagung zur anthroposophischen Meditation – frisch, offen und undogmatisch. Die Wochenschrift „Das Goetheanum“ hat Berichte gebracht von Anna-Katharina Dehmelt, Jonas von der Gathen und Manuela Schwedeler, jeweils von ganz eigenen Gesichtspunkten aus, ergänzt um eine Betrachtung von Terje Sparby zur Frage „Was ist anthroposophische Meditation?“ – diesbezüglich hatte „Living Connections“ viele Fragen offen gelassen. Terje Sparby entfaltet vier Betonungen der anthroposophischen Meditation: Denken, Selbst, Natur und Kultur, sowie eine ganze Reihe von Herausforderungen. Einen weiteren Bericht von „Living Connections“ hat Andreas Neider für das Septemberheft der Drei geschrieben.

Während „Living Connections“ von Aufbruchsstimmung und Anfangsgeist geprägt war, zeigen die 13 Interviews mit Kennern und Lehrern anthroposophischer Meditation, die Sebastian Knust nach einer mit Christoph Hueck entwickelten Konzeption mit viel Liebe und Engagement geführt und geschnitten hat, reife Früchte jahrelanger Tätigkeit. Zwischen 15 und 35 Minuten kann man Markus Buchmann, Frank Burdich, Anna-Katharina Dehmelt, Agnes Hardorp, Christoph Hueck, Dirk Kruse, Thomas Mayer, Andreas Neider und Ulrike Wendt sowie demnächst auch Bodo von Plato und Robin Schmidt zuhören und zusehen; Corinna Gleide und Steffen Hartmann sind mit Texten vertreten. Für jeden einzelnen gibt es eine charakteristische Überschrift und eine Schwerpunktsetzung, die vor allem im Zusammenspiel mit allen anderen Sinn macht. Zudem erfährt man von jedem auch etwas Biographisches und es werden konkrete Übungen geschildet. Die Videos vermitteln das ganze breite Spektrum anthroposophischer Meditation mit ihrer Erkenntnisorientierung in ansprechender Weise. Möge die Seite viele Besucher haben!

Ein weiteres Video mit einer ganz basalen Einführung in das Meditieren ist aus der Initiative „Meditation und Medizin“ von David Martin und Silke Schwarz hervorgegangen. Dort gab Tho Ha Vinh, Anthroposoph und Zenmeister, Mitwirkender bei „Living Connections“, der kulturell und meditativ so viel Verschiedenes in sich vereint, eine ganz niedrigschwellige Anleitung zum Meditieren, deren Aufzeichung sich bei „Meditation und Medizin“ findet.

Am 17. und 18. Juni fand die von der Stiftung Rosenkreuz veranstaltete Tagung „Meditation und Transformation“ statt. Dort begegneten sich anthroposophische und buddhistische Meditation und die meditative Praxis, die innerhalb des Lectorium Rosicrucianum gepflegt wird. Die Einleitungsreferate von Gunter Friedrich für das Lectorium Rosicrucianum, Werner Heidenreich für den Buddhismus und Anna-Katharina Dehmelt für die Anthroposophie liegen mittlerweile ebenfalls als Video vor, der Beitrag von Hermann Achenbach wird noch nachgereicht. Der Schwerpunkt lag dann auf den Workshops, in denen die Teilnehmer jeden der drei Ansätze besser kennen lernen konnten. Es zeigte sich, dass jede/r mit seinen Vorerfahrungen in die anderen Richtungen gut einsteigen konnte. So wurden die Tage zu einer tiefen Bereicherung.

Im Mai 2017 endete die einjährige Forschungs- und Fortbildungsreihe „Meditation und Gesundheit“, in der die 11 Teilnehmenden sich unter der Leitung von Anna-Katharina Dehmelt zum Meditations-Begleiter qualifizieren konnten. Basis der gemeinsamen Arbeit war der Aufbau einer spirituellen Praxis, die im Wesentlichen den Anregungen Rudolf Steiners folgte und zu denen Wort- und Bildmeditationen, die sechs Nebenübungen und die Rückschau gehörten. Über diese Praxis tauschten sich die TeilnehmerInnen von Wochenende zu Wochenende untereinander aus und begannen dann, sich gegenseitig zu verschiedenen Übungen anzuleiten, was wiederum reflektiert wurde. Die TeilnehmerInnen haben im Laufe des Jahres viele verschiedene Meditationsansätze kennen- und verstehen gelernt und sich mittels der eigenen Erfahrungen und des Austausches darüber einen großen Erfahrungsschatz angelegt, mit dessen Hilfe sie ihre Patienten, Klienten, Schüler, Kollegen oder Kursteilnehmer in der Meditation kompetent begleiten können. Am Ende des Jahres tauschten sich die TeilnehmerInnen auch darüber aus, was die intensive Meditationspraxis durch das Jahr hindurch für sie selbst verändert hat. Man kann hier wohl insgesamt von einer Identitätsverlagerung sprechen, die allerdings keineswegs immer nur unkompliziert verläuft. So berichteten die TeilnehmerInnen, dass fest Gefügtes sich zu lockern begann: Gewohnheiten, emotionale Automatismen, vorgefertigte Urteilsspuren oder das unbefangene Verhältnis zum eigenen Körper begannen sich aufzulösen und benötigten eine neue Aufmerksamkeit und Führung. Wenn die Automatismen nachlassen, mus in gewisser Weise jeder Gedanke, jedes Gefühl, jeder Willensimpuls aktiv auf den Weg gebracht werden. Was einerseits ungewohnt, sogar erschreckend sein konnte, war andererseits ein enormer Gewinn an Freiheit und Autonomie. Dieser Zugewinn wurde bereichert durch eine Steigerung der inneren Sicherheit: das Bewusstsein, genauer wahrnehmen, aus eigener Kraft urteilen zu können und den eigenen emotionalen Regungen nicht ausgeliefert zu sein, geben gerade da Halt und Orientierung, wo tragende Muster sich aufzulösen begannen. Hinzu kommt ein Vertrauen in die eigenen Einfälle und deren Eintreten zur rechten Zeit. Damit geht einher, dass die Beziehung zur Welt und zu den umgebenden Ereignissen eine dichtere wird: der Umkreis wird immer stärker als zu mir selbst gehörend erlebt. Das sich darin entwickelnde Lebensgefühl richtet sich weniger nach Planung oder Schutzbedürfnis, sondern erwächst aus der Verbundheit mit dem Umkreis – und erlebt sich gerade darin als handlungsfähig. Nicht ich handele von innen nach außen in die Welt hinein, sondern im denkenden, fühlenden und wollenden Zusammenleben mit der Welt ereignet sich Wirklichkeit, fügt sich das Schicksal und entwickelt sich das Selbst. Rudolf Steiner spricht von der Trennung von Denken, Fühlen und Wollen, die auf dem anthroposophischen Schulungsweg eintritt und die Verwandlung des leibgebundenen Selbst in ein seiner kosmischen Verbundheit bewusstes Selbst begleitet. Es war bewegend, diese Schwellensituationen gemeinsam erlebt zu haben.
Ein neuer Durchgang wird im Herbst 2018 beginnen. Er wird im Zeitraum bis Dezember 2019 13 Wochenenden umfassen. Neben Anna-Katharina Dehmelt als Leitung wirken Jaap van de Weg, Thich Duc Tinh, Thomas Steininger, Harald Haas, Rudi Ballreich, Ilse Müller, Urs Pohlman und Rosina Breyer mit. Genauere Informationen finden sich demnächst im Veranstaltungskalender.

Mit ähnlichen Themen, der Verwandlung des Selbst und der Wirksamkeit des Vergangenen und des Künftigen dabei beschäftigte sich im März die Tagung „Meditation und Selbsterkenntnis“ in Stuttgart.  Das kann man jedenfalls dem Bericht von Angelika Oldenburg im Juni-Heft der Drei entnehmen. Die nächste Tagung der Reihe, die sich nun drei Mal der Gegenüberstellung von anthroposophischer und östlicher Meditation gewidmet hat, wird vom 23. bis 25. Februar 2018 stattfinden und sich unter dem Titel „Meditation als Erkenntnisweg – die Vielfalt anthroposophischer Ansätze“ ganz der anthroposophischen Meditation widmen. Dazu sind fast alle Menschen, die im deutschsprachigen Raum anthroposophische Meditation vertreten, eingeladen worden, und wenn auch nicht alle der Einladung Folge leisten konnten, so wird doch die Vielfalt anthroposophischer Ansätze auch personell anwesend sein. Man wird diese Vielfalt in Podiumsgesprächen und Workshops erleben können.

Am 12. Mai 2017 fand in Stuttgart das sechste von Christoph Hueck initiierte Kolloquium Meditationswissenschaft statt. Es widmete sich der Kundalinikraft; Andreas Neider berichtet davon im Juli-Heft der Drei. Das nächste Kolloquium am 8. Dezember 2017 wird sich den Chakren widmen. Beides sind Themen, die Rudolf Steiner aufgegriffen hat, weil sie in seiner Umgebung intensiv diskutiert wurden – und die er verwandelnd weitergeführt und über ein naives Verständnis weit hinaus geführt hat. Dies kann heute in individueller Erfahrung aufgegriffen werden, was in den Kolloquien zur Meditationswissenschaft in schöner Weise geschieht.

Im letzten Newsletter haben wir von dem Forschungsprojekt Denkbeobachtung berichtet, in dem Merijn Fagard und Wilhelm Humerez eine Anregung Steiners zu introspektiv arbeitenden psychologischen Laboratorien aufgreifen, mit der Steiner seinerseits an Franz Brentano anknüpfte. Mittlerweile haben die empirischen Untersuchungen stattgefunden und wir erwarten die Ergebnisse gespannt. Mit diesem Vorhaben korrespondierte ein Symposium an der Universität Witten-Herdecke zum 100. Todestag Franz Brentanos, das ebenfalls den Anregungen zur Introspektion als Grundlegung für eine spirituelle Psychologie gewidmet war. Davon berichtete der Deutschlandfunk in seiner Sendung „Aus Kultur- und Sozialwissenschaften“ am 18.5.2017 (ab 11’59), in der die vier Referenten Harald Walach, Ulrich Weger, Martin Basfeld und Terje Sparby zu Wort kamen.

Die Grundlagenforschung zur anthroposophischen Meditation ist also rege. Aber auch auf dem Felde der Anwendung tut sich viel. Rudi Ballreich, als Grenzgänger zwischen anthroposophischer Meditation und Achtsamkeitstraining und Gesellschafter der Trigon Entwicklungsberatung in Organisationen und im Führungskräftetraining unterwegs, bündelt seine Aktivitäten unter dem Stichwort Mindful Leadership und bietet zusammen mit der Universität Witten-Herdecke Führungskräfte-Training und Ausbildung zum Führungskräfte-Trainer an. Mehr Infos gibt es unter www.Mindful-Leadership-Training.de.

Neben Videos, Audios und Berichten sind auch neue und spannende Bücher zur anthroposophischen Meditation erschienen, zum Beispiel von Hans-Christian Zehnter, Christoph Hueck, Valentin Wember, Andreas Neider oder Robin Schmidt. Mit denen machen wir Sie im nächsten Newsletter bekannt.

 

 

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