Newsletter Februar

Im WorldWideWeb – Wikipedia – Aufsatz von Johannes Wagemann – Lehrgang Bildekräfteforschung – Neue Facetten. — — — 

Anthroposophische Meditation ist nichts, was äußerlich erscheint, jedenfalls nicht unmittelbar. Und auch das Institut für anthroposophische Meditation hat kein Haus, keinen mehr oder weniger gut bezahlten Mitarbeiterstab und auch keine eingeschliffenen Strukturen. Es existiert im spirituellen Vollzug, in der Begegnung und im Gespräch, sei es von Angesicht zu Angesicht oder elektronisch vermittelt, in Kursen und Seminaren und in der Lektüre von Büchern und Websites. Die Existenz eines solchen Institutes im WorldWideWeb ist etwas, das sich seine Lebensbedingungen erst allmählich erfinden muss. Gehört Facebook wirklich dazu? Sollte ein Blog her? Wie bleibt man in der anthroposophischen Szene präsent, sowohl im Netz wie auch in Zeitschriften, Gremien oder Zweigen? Wie macht man außerhalb dieser Szene auf sich aufmerksam? Und das alles in einer Weise, die dem Thema angemessen ist? 

Das wird sich alles allmählich entwickeln. Eine große Unterstützung dabei ist schon jetzt der Artikel ‚Meditation’ in Wikipedia, wo die anthroposophische Meditation nun – unter Punkt 2.3. als Konzentrationsmeditation – mit aufgeführt wird. Dankeschön!

Johannes Wagemann hat seinen bahnbrechenden Aufsatz „Meditation – Untersuchungsgegenstand, Forschungsmittel und Entwicklungsweg“ nicht direkt an das Institut für anthroposophische Meditation geschickt. Aber zum Beispiel an Ulrich Ott, Psychologe und Meditationsforscher an der Universität Gießen, der wiederum von einem aufmerksamen Waldorflehrer auf das Institut für anthroposophische Meditation hingewiesen wurde. So landete der Aufsatz auf Wegen, die er ohne die Internetpräsenz des Instituts nicht gefunden hätte, in meinem Postfach.   Der Aufsatz ist erschienen in dem Online-Magazin Research of Steiner Education (RoSE), das es sich zur Aufgabe gemacht hat, anthroposophische Forschung mit akademischer Forschung ins Gespräch zu bringen und zu verbinden. Dementsprechend geht Wagemann zunächst von den Ergebnissen der akademischen Meditationsforschung aus und kommt fast völlig ohne gängiges anthroposophisches Vokabular aus.
Seinen Ausgangspunkt nimmt er in der Frage, wie der Weg von einem rationalen Alltagsbewußtsein zu einer durch Meditation angestrebten inuitiven Einheitserfahrung so beschritten werden kann, dass das eine nicht nur nicht für das andere aufgegeben werden muss, sondern beide in eine nachvollziebare Beziehung zueinander gesetzt werden können. Dafür spannt Wagemann zunächst zwei zueinander polare Aktionsformen jeder meditativen Handlung auf: gerichtete Aufmerksamkeit (focused attention, FA) und offenes Gewahrsein (open monitoring, OM). Jeder, der irgendwie meditiert, in welcher Strömung auch immer, kennt mindestens eine dieser Aktionsformen. Zunächst ist FA aktivitätsbetont und hat im Focus auf ein ganz bestimmtes Etwas eine stark individualisierende Qualität, während bei OM die Aufmerksamkeit geweitet wird und in einen Strom noch ungeformter, aber formender Universalität eintaucht.
Wagemann interessiert sich jetzt weniger dafür, die beiden Pole ins Extrem zu treiben; vielmehr sucht er im einen Pol immer den anderen auf. Individualisierendes Fokussieren ist nicht möglich ohne das verbindende Universelle; Universalität ist ohne das Aufrechterhalten inidividueller Aufmerksamkeit aber auch nicht zu haben. Und dies gilt nun nicht nur für die beiden polaren Meditationsformen, sondern auch für die Bewußtseinsformen, zwischen denen der Meditierende sich bewegt: unser erstarrtes Alltagsbewußtsein ist ohne eine vorgängige aus der Universalität strömende individualisierende Bildebewegung undenkbar, und eben diese kann in der Meditation wieder aufgesucht werden.
So wird das Gegenstandsbewußtsein in zwei Richtungen erweitert: zum einen durch seine vorgängige, in der Regel unbewusst bleibende, durch den Leib bedingte Entstehung aus einer viel lebendigeren Bewußtseinsform, und zum anderen durch seine Überwindung hin zu einer individuellen Realisierung des Universellen in unmittelbarer Geistesgegenwart. Zwischen Leib und Geist ist die Seele im Pendelschlag zwischen FA und OM tätig.
Wagemann zitiert von anthroposophischer Seite Steiner und vor allem Herbert Witzenmann. Durch dessen Einfluss wird Meditation für ihn zur Erforschung der Bildung und Überwindung unseres Gegenstandsbewußtseins. Sowohl die beiden Grundtätigkeiten jeder Meditation wie auch die Einbettung in das sich in Leib, Seele und Geist gliedernde Menschenwesen geben dem nüchternen Aufsatz Wagemanns aber eine weit darüber hinausgehende Dimension: die an die akademische Wissenschaft anschließende Begründung einer unser Gegenstandsbewußtsein erst bildenden Sinnhaftigkeit (von Steiner ‚geistige Welt’ genannt) und deren meditative Erfahrbarkeit.
Was mich an dem Aufsatz so begeistert, ist – neben der jedes Pathos vermeidenden, ganz nüchternen Herangehensweise ans Heilige – die Bedeutung der beiden Grundelemente jeder meditativen Tätigkeit, die in sich selbst schon alles enthalten: Aktivität und Hingabe, Sein und Werden, Geist und Materie, Wahrnehmung und Begriff. Vom Getrenntsein aus beginnt, wendet man nur den Blick weg vom Getrennten hin zu dem, was die zwei Seiten verbindet, beides ineinander zu ragen und wird zu immanenter Transzendenz. Hier dient Meditation nicht der Erbauung, sondern der Überwindung getrennter Sphären, und von hier aus könnte ein Gespräch zwischen Meditierenden unterschiedlichster Richtungen möglich sein, das auch vor den Augen des Gegenstandsbewußtseins Bestand hat. 

 Im April wird – erstmals in dieser ausführlichen Form – der Lehrgang „Wahrnehmen und Forschen im Übersinnlichen“ beginnen. Unter der Leitung von Markus Buchmann vermittelt und erübt ein Dozententeam mit den Teilnehmenden an 10 Wochenenden die Grundlagen der insbesondere auf die Natur gerichteten Bildekräfteforschung: das Lebendige kann durch meditativ erarbeitete Fähigkeiten erleb- und erforschbar werden.

Der Januar hat drei neue Facetten gebracht, für die ich sehr herzlich danke: von Hans-Christian Zehnter, Dirk Kruse und Johannes Wagemann. Das Bild wird farbig und vielschichtig und ist noch lange nicht fertig. Wenn Sie wollen: die Facetten sollten nicht länger als eine Bildschirmseite sein und persönlich, einseitig, konkret, lyrisch, provokant, erlebt …

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