Frank Burdich: Übersinnliche Wahrnehmung als dialogisches Prinzip
Anthroposophie versteht sich als Weg, als Weltanschauung und als Wissenschaft. Sie ist eine Weltanschauung, die davon ausgeht, dass es eine ätherische, seelische und geistige Wirklichkeit gibt, die die physische Welt um uns herum konstituiert. Sie ist ein spiritueller Weg, der es ermöglichen kann, auch selber Einsicht und Erkenntnis dieser Sphären zu erhalten. Wissenschaft bedeutet hier, dass die übersinnliche Erkenntnis durch eine klar beschreibbare Methodik erhalten wird. Das ist eine Besonderheit der Anthroposophie – übersinnliche Wahrnehmung ist nicht voraussetzungslos: Die Veränderungen, die der Mensch auf seinem individuellen Übungsweg in seinem Wesensgliedergefüge bewirkt, sind beschreibbar und funktionell auf verschiedene Teilaspekte der übersinnlichen Wahrnehmung methodologisch beziehbar.
Die Methoden der übersinnlichen Wahrnehmung einzelner Forscherpersönlichkeiten können durchaus unterschiedlich sein, sind von ihrem Wesen aber immer ein dialogisches Verhältnis zwischen Wahrnehmendem und der geistigen Welt. Die Art der Zuwendung entspricht den immer auch individuellen Fähigkeiten des Forschers, wie er sie auf seinem eigenen spirituellen Weg gebildet hat. Diesen Fähigkeiten entspricht auch die übersinnliche Wahrnehmung, die man als individuelle zuwendende Antwort der geistigen Welt verstehen kann.
Entscheidend für das Vorliegen einer wissenschaftlich aussagekräftigen Untersuchung ist die Voraussetzung, dass dieses dialogische Prinzip eintreten konnte. Diese beginnt mit der forscherspezifischen, klar beschreibbaren Ausrichtung des eigenen seelisch-geistigen Gefüges auf den Wahrnehmungsvorgang, verbunden mit einer zur geistigen Welt gerichteten konkreten Frage. Der Forscher ist bezüglich seiner Ergebnisse völlig abhängig von einer Antwort aus der geistigen Welt, die beispielsweise in Form einer Imagination erfolgen kann. Auf diese Antwort hat er anschließend an seine methodische Ausrichtung auf den Forschungszusammenhang lediglich durch seine Haltung und seine Fragestellung Einfluss.
Seine auf dem eigenen Erkenntnisweg erreichten seelisch-geistigen Fähigkeiten sind zum Erhalten einer übersinnlichen Wahrnehmung notwendig, aber nicht hinreichend.
Die Verlässlichkeit der Wahrnehmung ergibt sich für den Forscher aus den Erfahrungen seiner Forschungstätigkeit, sie kann nicht als bei jedem Wahrnehmungsvorgang notwendigerweise gegeben vorausgesetzt werden. Eine von Demut, Offenheit, Klarheit und Dankbarkeit getragene Haltung aller am Forschungsvorhaben Beteiligten erweist sich immer wieder als zielführend. Alle Bedingungen, die dazu führen, dass keine präzise Frage gestellt werden kann und bei der die Gegebenheit vorliegt, dass die Forscherpersönlichkeit dazu gezwungen ist auszugehen, dass von der geistigen Welt eine korrekte und passende Antwort kommen möge, führen erfahrungsgemäß immer wieder zu unklaren, missverständlichen oder wie vertauschten Wahrnehmungsergebnissen.
Frank Burdich (*1967) war Waldorflehrer für Biologie, Chemie und Informatik. Seit 2012 hat er seine Tätigkeiten als spiritueller Forscher und Lehrer für übersinnliche Wahrnehmungsschulung in der Gesellschaft für angewandte Geistesforschung mbh gebündelt.